Der Gründer des Roten Kreuzes
Das Zeichen, ein rotes Kreuz auf weißem Grund, ist international und gesetzlich geschützt. Sein Begründer ist Henry Dunant, dessen Leben ein Wechselbad des Erfolgs und des Misserfolges war. Doch seine Beharrlichkeit hat die Rotkreuzbewegung ins Leben gerufen und seine Ideen sind noch heute Leitbild und Vision.
Henry Dunant wurde am 8. Mai 1828 in Genf geboren. Als erstes von 5 Kindern wuchs er in einer streng protestantischen, Schweizer Kaufmannsfamilie auf. Er machte eine Banklehre und betätigte sich in der Zwischenzeit auf dem karitativen Gebiet. Mit 18 trat er der „Genfer Gesellschaft für Almosenspenden“ bei, dessen Wirkungskreis er schon bald als viel zu klein erachtete. Mit einigen Bekannten gründete er daraufhin den “Christlichen Verein Junger Männer“. Ihm selbst schwebte jedoch eine weltweite Kooperation und Gleichberechtigung aller Menschen vor.
1853 reiste Dunant nach Algerien, damals noch französische Kolonie. Dort wollte er im großen Stile Land erwerben, Getreide anbauen und es in eigenen Mühlen verarbeiten lassen. Doch diese Projekte scheiterten, weil ihm wichtige Land-Konzessionen fehlten. Um die entsprechenden Dokumente zu erhalten, entschloss er sich nach Italien zu reisen und um eine Audienz beim französischen Kaiser Napoleon III. zu erbitten.
Auf der Reise nach Norditalien erlebte er die Schlacht von Solferino hautnah. Nach dem entscheidenden Gefecht, zwischen den verbündeten Truppen Frankreichs und Sardiniens auf der einen Seite und Österreichs auf der anderen, lagen mehr als 40.000 Tote und Verwundete unversorgt auf dem Schlachtfeld. Der militärische Sanitätsdienst war hoffnungslos überlastet. Es wurde nicht mehr zwischen Freund und Feind unterschieden. „In der Not wird allen geholfen, weil alle Brüder sind.“ Auch Dunant fühlte sich verpflichtet zu helfen. Er organisierte die Hilfsmaßnahmen, spannte Dorfbewohner in die Pflege ein und legte selbst Hand an. Seine Erinnerungen schrieb er in dem Buch ,,Erinnerungen an Solferino“ nieder, wodurch er Anerkennung und Sympathie bei einflussreichen Leuten fand. In der darauf- folgenden Zeit reiste er durch Europa und bemühte sich um die Gründung einer Gesellschaft zur Hilfe an Kriegsverletzten.
1863 gelang durch Dunants Initiative die Einberufung eines internationalen Kongresses nach Genf. 1864 fand vom 8. bis 28. August die Folgekonferenz statt, in der 26 Delegierte aus 16 Nationen teilnahmen. 12 Staaten unterzeichneten die Genfer „Konvention zur Verbesserung des Schicksals der verwundeten Soldaten im Felde“. Für die beteiligten Hilfseinrichtungen und ihre Helfer wurde als Neutralitäts- und Schutzzeichen ein rotes Kreuz auf weißem Grund, in der Türkei ein roter Halbmond, vereinbart.
Mehr und mehr vernachlässigte Dunant seine eigentlichen Geschäfte. Sein Algerien-Projekt scheitert, die Investitionen seiner Verwandten und Freunde sind perdu. 1867 wird Dunant des betrügerischen Bankrotts für schuldig befunden. Er ist auch moralisch ruiniert. Das Rote Kreuz und der CVJM schließen ihren Mitgründer aus.
Dunant irrte durch Europa, war zeitweise obdachlos. Von 1875 an lebte er im Appenzeller Dorf Heiden von einer bescheidenen Leibrente, die seine Familie ihm zahlte. Er schrieb an seinen Memoiren, in die Hasstiraden gegen einstige Weggefährten wie Moynier einflossen.
Seine Hilfsorganisation dagegen verbuchte im Krieg zwischen Preußen und Österreich erste Erfolge. Verwundete wurden unter dem Schutz des „Roten Kreuzes“ geborgen und ärztlich versorgt.
Erst als der St. Galler Journalist Georg Baumberger in einem vielfach nachgedruckten Artikel an Dunants Verdienste erinnerte, erhält dieser Ehrungen, Orden, Leibrenten. Dann endlich erreicht ihn aus Genf auch die Nachricht, dass er offiziell als Gründer des Roten Kreuzes anerkannt ist.
1901 wird ihm gemeinsam mit Frédéric Passy der erste aller Friedensnobelpreise verliehen. Dunant gibt keine Öre aus. In seinem Testament stiftet er unter anderem ein Freibett für Arme im Heidener Spital, wo er wegen seiner schlechten Gesundheit seit 1892 lebte.
Hier, in Zimmer 12, verbringt er den Rest seines Lebens, depressiv und verbittert. In einem Brief wünscht er sich, begraben zu werden „wie ein Hund“. Er stirbt am 30. Oktober 1910. Ohne Zeremonie wird er beerdigt. Seine letzten Worte waren: „Wie finster wird es um mich her!“ Vier Jahre später beginnt ein Krieg, gegen den die Schlacht von Solferino nur ein Scharmützel war.